Recklinghausen-Suderwich. Eine Freistellung von der Arbeit ist in Form der Pflegezeit oder Familienpflegezeit möglich. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung und Pflegeunterstützungsgeld sind weitere gesetzliche Möglichkeiten für Pflegende und Gepflegte.
Wer hat ein Recht auf Pflegezeit?
Pflegezeit steht Arbeitnehmer:innen, auch in Berufsausbildung oder in Heimarbeit beschäftigt, zu, wenn sie eine nahestehende Person in häuslicher Umgebung pflegen. Sie können bis zu sechs Monate ganz oder teilweise von ihrer Arbeitsleistung freigestellt werden. Das gilt für alle Pflegegrade. Bei minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen besteht ein Anspruch auf Freistellung auch bei außerhäuslicher Betreuung. Bis zu drei Monate ist eine Freistellung bei der Begleitung eines nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase möglich, zum Beispiel in einem Hospiz.
Nahe Angehörige, der Begriff ist weit gefasst: Eltern, Groß-,Schwieger- und Stiefeltern, Ehegatten ebenso wie Lebenspartner oder Partner in einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwager und Schwägerin oder deren Lebenspartner, eigene Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder oder die des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder. In dieser Zeit zahlt nicht der Arbeitgeber das übliche Entgelt, sondern die Pflegekasse. Der Anspruch besteht allerdings nur gegen Arbeitgeber mit mehr als 15 Beschäftigen.
Wurde die Pflegezeit zunächst nur für weniger als sechs Monate beansprucht, kann mit Zustimmung des Arbeitgebers auch nachträglich bis zur Höchstdauer verlängert werden. Ein Anspruch auf nachträgliche Verlängerung besteht, wenn ein ursprünglich vorgesehener Wechsel in der Pflegeperson aus wichtigem Grund nicht möglich ist.
Wenn die Pflegebedürftigkeit wegfällt, unmöglich oder unzumutbar geworden ist, endet die Pflegezeit vor Ablauf des in Anspruch genommenen Zeitraums mit einer Übergangsfrist von vier Wochen. Im Übrigen kann die Pflegezeit nur mit Einwilligung des Arbeitgebers vorzeitig beendet werden.
Der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz des Pflegenden bleibt in der Regel während der Pflegezeit erhalten, da in dieser Zeit regelmäßig eine Familienversicherung besteht. Ist das nicht der Fall, muss sich die Pflegeperson freiwillig in der Krankenversicherung weiterversichern und dafür meist den Mindestbeitrag zahlen. In dieser Höhe erstattet die Pflegeversicherung für alle Pflegegrade den Beitrag auf Antrag. Eine private Kranken- und Pflege-Pflichtversicherung bleibt grundsätzlich während der Pflegezeit bestehen. Auch hier wird ggf. bis zur Höhe des Mindestbeitrags erstattet.
Während der Pflegezeit ist die Pflegeperson rentenversichert, wenn sie eine Personen des Pflegegrades 2 bis 5 mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Wochentage, pflegt und nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich berufstätig ist. Bei Reduzierung der Arbeitszeit, zahlt der Arbeitgeber die Rentenversicherungsbeiträge entsprechend dem verkürzten Arbeitsentgelts weiter.
Während einer Pflegezeit mit nur teilweiser Freistellung besteht der Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses fort. Bei einer vollständigen Freistellung zahlt die Pflegekasse die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, wenn mindestens Pflegegrad 2 vorliegt und mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens zwei Wochentage pflegt wird. Weitere Voraussetzung: die Pflegeperson war unmittelbar vor Pflegebeginn zur Arbeitslosenversicherung verpflichtet oder hatte zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Auch für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz während der Pflegezeit gilt die Voraussetzung: Pflegegrad 2-5, 10 Wochenstunden Pflege an mindestens 2 Wochentagen.
Pflegende haben ab Ankündigung (höchstens zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn) bis zur Beendigung der Pflegezeit einen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Den entscheidet die zuständige oberste Landesbehörde für Arbeitsschutz oder eine von ihr bestimmte Stelle.
Wenn das von der Pflegekasse gezahlte Pflegegeld (siehe dort) für den Pflegenden nicht ausreicht um den Unterhalt zu sichern, kann er im Rahmen der Pflegezeit ein zinsloses Darlehen erhalten, das in monatlichen Raten ausgezahlt wird. Die decken grundsätzlich die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts ab. Beantragt wird das Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (www.bafza.de).
Sofern in kleineren Unternehmen (bis 15 Beschäftige) kein gesetzlicher Anspruch auf Freistellung besteht, kann die aber auf freiwilliger Basis mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. In diesem Fall besteht ebenfalls Anspruch auf ein zinsloses Darlehen. Das zinslose Darlehen wird nach der Freistellung in Raten getilgt.
Familienpflegezeit
Beschäftigte haben einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit. Sie können sich für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden im Durchschnitt eines Jahres teilweise für die Pflege in häuslicher Umgebung einer pflegebedürftigen nahen Angehörigen (Pflegegrade 1 bis 5) freistellen lassen. Der Anspruch besteht auch für die außerhäusliche Betreuung von minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen.
Der Anspruch besteht nur gegenüber Arbeitgebern mit mehr als 25 Beschäftigten (ohne Auszubildende). Die Ankündigungsfrist für die Freistellung beträgt acht Wochen. Dabei ist anzugeben, für welche Zeit und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer die Freistellung von der Arbeitsleistung begehrt wird. Auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit ist zu nennen. Darüber treffen Arbeitgeber und Beschäftigte eine schriftliche Vereinbarung. Der Arbeitgeber hat den Wünschen der Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe dem entgegenstehen.
Während der Familienpflegezeit zahlt der Arbeitgeber die Beiträge zur Rentenversicherung auf Basis des reduzierten Arbeitsentgelts weiter. Zusätzlich überweist die Pflegekasse an die Rentenversicherung während der Familienpflegezeit für die geleistete Pflege Beiträge, wenn der Pflegeaufwand bei Pflegegrad 2 bis 5 mindestens zehn Stunden wöchentlich an zwei Wochentagen und die Erwerbstätigkeit höchstens 30 Stunden pro Woche beträgt. Die Rentenansprüche steigen mit der Höhe des Pflegegrades der zu pflegenden Person, sodass sie im Ergebnis das Niveau einer Vollbeschäftigung erreichen können. Während der Familienpflegezeit bleibt die Arbeitslosenversicherung bestehen. Es gilt ein beitragsfreier gesetzlicher Unfallversicherungsschutz, wenn der oben genannte Pflegeumfang gegeben ist.
Beim Kündigungsschutz gilt das oben zur Pflegezeit ausgeführte. Zum zinsfreien Darlehen gelten die gleichen Bedingungen wie bei der Pflegezeit.
Pflegezeit und Familienpflegezeit können auch kombiniert genutzt werden. Dabei beträgt die Gesamtdauer aller Freistellungsmöglichkeiten höchstens 24 Monate. Nahe Angehörige können die Freistellungen auch parallel oder nacheinander in Anspruch nehmen und sich so die Pflege partnerschaftlich teilen.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung und Pflegeunterstützungsgeld
Arbeitnehmer:innen können bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernbleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen Angehörigen in einer akut auftretenden Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Beschäftigte müssen dem Arbeitgeber ihre Verhinderung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilen. Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit und die Erforderlichkeit des Fernbleibens von der Arbeit verlangen. Hier gilt nicht die Beschränkung hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten beim Arbeitgeber. Der Schutz in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bleibt bestehen.
Pflegeunterstützungsgeld
Als Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt bei einer solchen "kurzzeitigen Arbeitsverhinderung" können Beschäftigte ein auf insgesamt bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftige Person begrenztes Pflegeunterstützungsgeld beanspruchen. Das gilt für die Pflege in allen Pflegegraden. Als Brutto-Pflegeunterstützungsgeld werden 90 % (bei Bezug beitragspflichtiger Einmalzahlungen in den letzten zwölf Monaten vor der Freistellung 100 %) des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts gezahlt. Machen mehrere Beschäftigte ihren Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung zugunsten derselben pflegebedürftigen Person geltend, geltend die zehn Arbeitstage in Summe.
Das Pflegeunterstützungsgeld ist unverzüglich bei der Pflegekasse des pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu beantragen. Dabei ist eine ärztliche Bescheinigung über die (voraussichtliche) Pflegebedürftigkeit des Angehörigen einzureichen. Der Arbeitgeber ist zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet, soweit sich eine solche Verpflichtung aus anderen gesetzlichen Vorschriften oder aufgrund einer Vereinbarung ergibt. (Wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.)
© Gruppe Sozial- und Bildungswerk
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