Recklinghausen-Suderwich. Personen, die zum 1. September 2022 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis standen, sollten in der Lohnabrechnung für September eine Zusatzvergütung von 300 Euro brutto haben. Das gilt auch für geringfügig Beschäftigte. Diese Pauschale ist zu versteuern.
Das verbleibende zusätzliche Netto soll die Belastung der Haushalte durch höhere Energiepreise abmildern. Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, diese Leistung pfändungsfrei zu stellen. Eine Unpfändbarkeit lässt sich in analoger Anwendung zu früheren Sonderleistungen begründen, ist aber noch nicht richterlich festgestellt. Die Folge:
Liegt dem Arbeitgeber eine Pfändung vor, müsste er den Nettolohn einschließlich des Nettos aus der Energiepreispauschale der Pfändung gem. § 850 c ZPO unterwerfen. Beim Arbeitnehmer kommt also evtl. (je nach Höhe des Gesamtnettobetrages und der Familienverhältnisse) nur ein Teil der Netto-Energiepreispauschale an.
Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer sich in einem Insolvenzverfahren befindet und das Pfändbare aus dem Lohn an die Insolvenzmasse abzuführen ist.
Gravierender ist die Einbuße, wenn nicht der Lohn sondern das Konto gepfändet ist, auf das die Lohnzahlung überwiesen wird. Sind dort die Pfändungsfreibeträge bereits bei normaler Lohnzahlung ausgenutzt, geht die volle Zusatzleistung an den Gläubiger.
Eine Bescheinigung zur Freistellung des Betrages durch die üblichen im Gesetz bestimmten Stellen (Schuldnerberatung u.a.) ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.
Eile geboten bei Pfändung oder Abtretung des Lohns an den Insolvenzverwalter!
Es ist unbedingt notwendig, den Arbeitgeber umgehend darauf hinzuweisen, dass die Energiepreispauschale ohne Pfändungsabzug ausgezahlt werden muss. Die Aufforderung, die Sonderzahlung pfändungsfrei zu stellen, wird nicht sofortig auf Bereitwilligkeit stoßen. Die Gesamtlohnabrechnung wird dadurch komplizierter. Du solltest darauf bestehen. Ist der Pfändungsanteil einmal an den Gläubiger ausgekehrt, wirst du ihn kaum wieder zurückholen können.
Möglich, dass man dir die fehlende gesetzliche Regelung zur Pfändungsfreistellung der Pauschale entgegenhält. Dann kannst du wie folgt argumentieren:
Die Pauschale ist kein Arbeitseinkommen auf Basis des Arbeitsvertrages. Sie ist eine gesonderte Zuwendung der Bundesregierung, die nur aus technischen Gründen über den Arbeitgeber ausgezahlt wird. Sie belastet diesen nicht. Er holt sich das Geld beim Staat.
Die Pfändungstabelle nach § 850c ZPO ist darauf nicht anwendbar.
Dagegen ist nach § 851 Abs. 2 ZPO die Pauschale wegen ihrer Zweckbestimmung unpfändbar. Zweck der Pauschale ist nicht die Bereicherung des Gläubigers (oder der Insolvenzmasse), sondern die Entlastung des Empfängers wegen gestiegener Energiekosten. Das hat der Bundesgerichtshof bereits bei den in der Corona-Pandemie gezahlten Soforthilfen festgestellt.
Notanker bei Abführung an die Insolvenzmasse
Hat es mit der Verhinderung der Pfandfreistellung in der Lohnabrechnung nicht geklappt und ist der pfändbare Betrag an den Insolvenzverwalter gegangen, gibt es eine Notlösung. Du solltest den Insolvenzverwalter schriftlich auffordern, das zu viel Gepfändete an dich herauszugeben. Dabei kannst du auf die obige Argumentation zurückgreifen. Damit er das Zuviel berechnen kann, schickst du ihm die Lohnabrechnung, in der die Pauschale aufgeführt ist. Sollte der Insolvenzverwalter sich weigern, kannst du einen Antrag auf Freistellung beim Insolvenzgericht stellen.
Lohn geht auf gepfändetes Konto
… und die Pfändungsfreibeträge werden durch die Pauschalzahlung überschritten.
In diesem Fall ist ein Antrag auf Erhöhung des Freibetrages beim Vollstreckungsgericht zu stellen. In der Insolvenz ist das Insolvenzgericht für die Erhöhung zuständig.
Berufen kannst du dich dabei auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2021 (Aktenzeichen VII ZB 24/20). Dieses Urteil ist gem. § 906 ZPO anwendbar. Hier gilt dieselbe Begründung wie oben: kein Arbeitslohn sondern staatliche Zuwendung wegen der gestiegenen Energiekosten; anwendbar auch auf die Kontopfändung entsprechend der Regelung zum gepfändeten Lohn.
Was gilt in der Wohlverhaltensperiode?
Der „Insolvenzteil“ eines Verfahrens endet mit dem Schlusstermin. Daran schließt sich die Wohlverhaltensperiode an, die mit der Entscheidung über eine Restschuldbefreiung endet.
In dieser Zeit hat der Treuhänder als Nachfolger des Insolvenzverwalters (oft aber dieselbe Person) schon formal keinen Anspruch mehr auf die Vereinnahmung der Prämie. Sie ist nicht von der Abtretung nach § 287 InsO erfasst. Sollte also der Arbeitgeber das Netto aus der Prämie dennoch an die Insolvenzmasse ausgekehrt haben, hast du einen Anspruch gegen den Treuhänder auf Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung.
Wenn du in dieser Frage Hilfe benötigst: eMail an schuldnerberatung@nak-sbw.de oder Anruf unter 02166 6105063 bzw. 02361 5823786.
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