Recklinghausen-Suderwich. Das hatte es im SBW-Zentrum in Suderwich noch nicht gegeben: Einen gelungenen Einstand mit einem zunächst eher experimentell anmutenden Konzept eines Themennachmittags konnte das Neuapostolische Sozial- und Bildungswerk (SBW) am Sonntag, 21. Mai 2017, feiern. Gedichte des Lyrikers Ernst Meister standen im Mittelpunkt der knapp 90-minütigen Wort-, Bild- und Klangkompositur zum Leitthema Zeit, genauer: Dem „Zeitspalt“, den Ernst Meister in seinem Gedichtband „Im Zeitspalt“ wohlgewählte Worte widmete.
Die Lyrik Ernst Meisters, gekonnt rezitiert und erläutert von Dr. Reinhard Kiefer, der als Germanist (und Theologe) zu diesem promovierte, wurde kongenial untermalt von sich einbrennenden Fotografien der semiprofessionellen Fotografin Ruth Chudaska-Clemenz, deren eng am Thema gewissermaßen klebende Lichtbildeinblendungen metaphorisch einblendeten, was Ernst Meister in seiner bewusst spröden, reduzierten Lyrik zu vermeiden wusste. Musikalische Intermezzi, im Duett vorgetragen vom Konzertpianisten Oliver Drechsel und dem Kirchenmusiker Christoph Lahme an Piano und Harmonium, unter anderem mit Werken von Beethoven, Brahms und Faurè, rundeten den mehrfach die Sinne ansprechenden Themennachmittag ab.
Ernst Meister - sein Werk und Wirken
Ernst Meister, im Juni 1979 verstorben, erfuhr durch diesen Nachmittag eine erneute und respektvolle Würdigung seines Werks und Wirkens. Kiefer stellte klar, dass dessen Texte zu Unrecht durch denkfaule Interpreten zu oft als hermetisch eingestuft werden, obwohl die radikale, philosophisch und existentiell begründete Auseinandersetzung mit dem Tod Meisters Poesie bis heute verschattet und als grüblerisch erscheinen lässt. Klar wurde, dass dessen „Poetologie des Todes“, die ihm zugeschrieben wird, eher dem Leben zugewandt ist und genau daraus ihre Kraft für klare, schmerzgenaue Bilder bezieht.
Sicherlich: Ernst Meister fordert seinen Lesern eine hohe Anstrengungsbereitschaft ab und hat Lyrik hinterlassen, die sich, wenn überhaupt, lediglich partiell aufschließt. Seine suggestive Sprache mit ihrer hart erscheinenden Unerbittlichkeit muss verdaut werden können und nur der hartnäckige Rezipient durchdringt, was dieser „Zeitspalt“ ist, den Meister beschreiben, durchdringen will.
Die Spanne in unseren eigenen Leben
Im Zeitspalt“ – das ist die verschwindend geringe, geradezu marginale Spanne unseres eigenen Lebens zwischen der „Ewigkeit vorher“ und der „Ewigkeit danach“, so machte Dr. Reinhard Kiefer klar. Ernst Meister berief sich dabei auf ein Zitat von Blaise Pascal, der den Begriff „Zeitspalt“ wohl als erster verwendete und definierte. Für Meister bedeutete dieser „Zeitspalt“ immer wieder nur eins: Ich muss die Dinge jetzt, in diesem „Zeitspalt“, verstehen von ihrer Vernichtbarkeit her, bevor alles Denken für das über uns verhängte Ende vertilgt ist. „Der Niemand steht am End“ konstatiert Meister in seinem Gedicht „Es kommt“, und aller Anschein niederschmetternden Pessimismus` wird von ihm überwunden durch das unbändige Verlangen, das Leben eben jetzt und vor dem Ende zu leben, dem Mahlstrom des unendlichen Nichts die Zärtlichkeit als Gegenbewegung entgegen zu stellen.
Sicherlich mag Ernst Meister, der sich religiöse Tröstungen in diesem „Zeitspalt“ versagte, romantisch verortete Leserinnen und Leser aufregen. Er sollte aber eher anregen, sich mit den letzten Dingen und dem Weg dorthin zu beschäftigen. Und da schließt sich der Kreis, weil er gerade, auch wenn vielleicht nicht beabsichtigt, Christen an dieser Stelle ungemein fordert. Und fördert.
Etwa um die 30 Zuhörer folgten an diesem überaus sonnigen Nachmittag dem Aufruf des SBW, sich von diesem „Cross-Over“-Vortrag beeindrucken zu lassen. Der Applaus zeigte: Keine Minute war vergeblich investiert.
© Gruppe Sozial- und Bildungswerk
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